geboren in Basel, behütet aufgewachsen, polternd ausgebrochen und heute angekommen
Frühe Begegnung mit Klang. Ich spielte die elektrische Eisenbahn immer unter Mutter’s Klavier und hämmerte Harmonien und Töne in viele wertvolle Beulen. Mein Vater befand Musik „für Saltimbanques“ (Gaukler). So blieb Zusammenspiel für’s erste mal aussen vor. Man verausgabte sich bereits vergebens mit vier älteren Geschwistern.
Einmal – ich war vermutlich ca. 5 Jahre alt – nahm mich meine Mutter an eines ihrer Abonnement-Konzerte mit in’s Stadtcasino Basel (an der „Seyby“, dem Barfüsserplatz). Ein schwarzer Mann – Erroll Garner – spielte rasenden Jazz, wobei er nie auf seine Finger schaute, sondern immer nur freundlich abwesend umher nickte. Eine Melodie („Misty“) grub sich tief in die Schatzkiste meiner „geheimen Lieblinge“ ein.
Ein magisches Erlebnis der Aha-Klasse erhielt eine bekannte Posaunen Melodie vom Bachelor-PopMusic_Begründer – André Pop). In einem Stück mutierte diese Melodie auf erstaunliche Art.
Man hörte eine Posaune „rückwärts“!
Hier wurde offensichtlich verwegen getrickst: das Tonband mit der originalen Melodie wurde umgedreht, der Posaunist lernte die „verkehrte Melodie“ und spielte sie auf ein neues Band ein, bzw. dieses Band wurde dann wieder umgekehrt, und die originale Melodie erklang dann „rückwärts“!
Einen besonderer Event bescherte uns der Vater, als er ein Grammophon nach Hause brachte. Er schüttelte den Kopf ob der ebenfalls mitgebrachten Vinyl_Platte (André Pop’s «Délires en hifi-stéréo»), welche man stereo hören musste, indem man den Kopf zwischen die zwei Lautsprecher steckte…
Ein anderes mal brachte der Silberrücken eines der ersten Diktaphone, ein „Ultravox“ nach Hause…
Ein erstaunliches Utensil! Da gab es eine Foli zum Einspannen auf eine Trommel, ein Mikrofon für’s Diktat und ein Fusspedal zum die Trommel einen kleinen Sprung rückwärts zu manövrieren, wenn die Sekretärin die Worte des Diktats nicht schnell genug packte. Ein Widerspruch zu meinem Verständnis, dass man Töne nicht festhalten konnte zum auf die Transportwagons meiner Güterzüge zu packen…
Das wollte genau untersucht werden. Aloso packte ich das Ultravox in die Küche und nahm damit Mutters blubbernden Kartoffelstock auf. Nach dem Essen stellte ich das Ultravox auf’s Klavier, drückte auf eine Taste und wiederholte den Ton mittels des erwähnten Fusspedals. Der Kiefer baumelte oft lange in der gleichen Schlaufe. Ein festgehaltetes Geräusch wird zu „Musik“?… Vielleicht war die Mutter etwas besorgt ob dem debilen Gesichtsausdruck des Sprösslings beim Zuhören unflätiger Musik. Auf alle Fälle erkundigte sie sich natürlich, warum ich denn Musiker werden wollte. Ich hätte ihr gesagt, weil man dabei eben immer spielt (vs arbeitet)… Worauf mich die Mutter in einen Kinderchor steckte! Sie war die beste Mutter in allen Tonarten, auch wenn sie mir manchmal mit Dalia-Stecken den Hintern versohlte… allerdings nie wirklich lange, weil ich sehr laut sang dazu, und was dachten dann auch die Nachbarn…
Das Chorsingen blieb irgendwann wegen Stimmbruch im Hals stecken.
Alles war zu pastell, zu wenig wild für Pubertät + Lust auf Abenteuer + Sucht nach neuen ungehörten Klängen…
Mein Bruder Philippe spielte mir Herbie Mann’s Version von „Comin‘ Home“ (eine Nummer von Ben Tucker), worauf ich Flöten spielen lernen wollte.
1963 erhielt ich zu Weihnachten (von meiner Gotte) die Beatles LP „Please Please Me“.
JFK’s Ermordung war ein Schock und beeinflusste nachhaltig die Kurven eines weniger konventionellen Lebenslaufs.
1965 Bob Dylan’s „Subterranean Homesich Blues“ mutierte vom akustischen Idol zum e-dol und der Summer of Love 1967 schlug ein… ich las Hesse und Rilke…
1967 die Rolling Stones spielten im Hallenstadion in Zürich…
…aber die Frage blieb unbeantwortet, wie sich richtige Musik denn jetzt festhalten liess…
Eine Orgel musste her… und eine Band!
Mit der Band liess sich zwar prima provokativer Protest plärren, allerdings blieb ein erweiterter Horizont auf der Strecke der Ansprüche an vielfältigem Sound und/oder Improvisation.
Beständig auf der Jagd nach neuer Musik und neuen Sounds, entdeckte ich eines Tage die seltsame Plattenhülle eines Georg Kreislers, ein Makaberist, ein verkannter Wortejongleur… …
…sein Opernboogie blieb ein unauslöschlicher Einfluss bis heute. Aber nie wieder sollte ich versuchen, eigene Texte zu schreiben. Viel mehr der instrumentalen Musik huldigen, auch wenn Lieder und Gedichte – gerade in Songform – grossen Stellenwert behalten sollten. Auf Grund folgender Anekdote klimperte ich 40 Jahre später ein paar dessen Lieder…
Gerne erinnere ich mich an die schöne Episode:
Als Sohn (Linus) in der Schule einen Rap lernen und aufführen sollte, bot ich ihm meine Hilfe an; er würde mit 8 Stunden Fleiss den von ihm ausgewählten Rap souverän vortragen können. Er wollte wissen, ob ich denn rappen könne… überraschenderweise kam mir augenblicklich Kreislers Opernboogie wieder (auswändi) in den Sinn… und überzeugte den Sohn, genug Fleiss in Kauf zu nehmen, bastelte ein rudimentäres Playbäck, worauf Linus seinen respektablen Rap vorlegte… 🙂
Lange vor der Einführung von Samplern, boten sich viele Gelegenheiten, jenste Sounds zu sammeln mit denen sich zwitschern und donnern liess von Baulärm über Wind und Wetter bis Studenten-Obszönitäten oder anderem mehr.
Dann entdeckte ich auf einem Blue Horizon Album:
Eddie Boyd (25. November 1914 – 13. Juli 1994)
Sänger und Pianist aus Chicago – gebürtig aus den Südstaaten – kam mit der „british blues invasion“ nach Europa und veröffentlichte Platten mit u.a. Peter Green’s Fleetwood Mac und John Mayall’s Bluesbreakers als Begleitband (!). Im Verlauf seiner Konzerte auf dem alten Kontinent gastierte er 10 Tage in (Klein)Basel in der „Chemihütte“. Diese kleinen Konzert lösten eine phantastische Geschichte aus: die Anziehungskraft war dergestalt stark, dass ich jeden Abend von zu Hause heimlich (über den Balkon) ausbüchste. Und eines Abends stand plötzlich meine Mutter in der Spelunke und legte einen grossen Blumenstrauss auf Eddie’s Klavier. Sie meinte, es wäre doch nett, wenn er uns zu Hause einmal besuchen komme, damit ich nicht ständig ausbüchsen müsse und – während der Schulzeit – nicht solche Mühe zum Aufstehen hätte… Eddie meinte, ja, doch, warum nicht, er würde sich melden… und eines Tages rief er an und sagte: „Can you come down to the train station and pick me up?“ Ich dachte zuerst, einer meiner Schulfreunde wolle mich veräppeln, aber fuhr trotzdem mit dem Tandem an den Bahnhof und strampelte mit ihm nach Hause zu meinen Eltern!
Eddie blieb letztendlich zu Gast während 3 Monaten. Irgendwann entdeckte er, dass ich eigentlich Querflöte spielte und bestand fortan darauf, mich eher auf Flöte zu trimmen, zeigte mir riffs, licks & tricks und schlug vor, ihn auf Tour zu begleiten. Die Eltern waren zu meiner grossen Überraschung und Freude einverstanden damit, also ging’s durch Norddeutschland von Hamburg bis Ostberlin!
1968 = Jimi Hendrix am Monsterkonzert in Zürich… die Schleusen waren nun gänzlich geöffnet. Der Bogen war gespannt von Folksongs und seine „Derivate“, Musik mit einer B o t s c h a f t + was aus dem Blues zu entstehen begann (die britisch blues explosion), hörte von Steve Winwood bis „Them“, den „The Kinks“ bis zur grossen Entdeckung von Brian Wilson’s „Pet Sounds“, obwohl dessen kitschige Beach Boys Eskapaden überhaupt nicht meinem Orbit entsprachen und und und…
1969 durfte ich mit meinem Bruder (Philippe) und Esther auf deren Hochzeitsreise. Auf die Orkney Inseln, zurück über Schottland nach London, carnaby street und portobello road, rauchte Schuhputzcrème und weckte den Lockruf, ein Jahr später nochmals nach London zu gehen, „auf eigene Faust“, mit Jugendfreund Andreas (R.I.P.) mit seinem Uher 4400.
Wir besuchten Ronnie Scott’s und das Marquee, machten Aufnahmen von phantastischen Konzerten… Chris McGregor’s Brotherhood of Breath, King Krimson, Graham Bond, Keith Tippett’s Centipede, Nucleus, Gary Burton und viele anderen bleiben unvergessliche Erlebnisse…
…ich sparte lange Ziet für meine erste Stereo-Anlage, 2 grosse Lautsprecher, getrennter Verstärker + Plattenspieler… verbarrikadierte mich stundenlang mit all den Rafinessen von Zeitgeists mit Kopfhörern, modifizierte das erste portable Kassetten-Gerät
…nähte es in meine Ski-Kluft und terrorisierte die Ski-Pisten mit dem vermutlich ersten Walk-Man… ass Bücher (Hesse, Camus, Po, Dostojewski, Bierce u.v.a.m…).
Um nicht noch mehr „handvoll“ zu werden, wurde ich nach Neuenburg „outgesourced“, um doch noch so etwas wie Ausbildung zu erfahren, z.B. mit Abschluss sowohl der Handelsschule als auch dem Konservatorium (bei Meister André Pépin aus Genf).
In weiteren 20 Jahren Aufenthalt in Neuenburg schürte ich das Feuer der eigenen Realität, entdeckte meine „wirkliche“ Familie, den Bruder- und Schwester_Clan der Musiker. Von 1973 – 74 besetzte ich eine Stelle bei Musik Hug in der Schallplattenabteilung. Man schickte mich nach Amerika, um Lagerbestände (‚cut outs‘) für alle Filialen aufzustocken – grossteils Jazz.