Die Texte (von Astrid Schröder)

Wenn ich das Christkind wär…

Wenn ich das Christkind wär…
– Und wenn ich es tatsächlich so sein könnte, wie man erzählt –
Dann, glaubt mir, dann würde kein Wunsch verfehlt

Wenn ich das Christkind wär..
– na, ihr wisst schon, wie ich’s meine, so ganz richtig und echt –
Würd’ keiner nach Weihnachten sagen: Das Geschenk ist nicht recht!

Wenn ich das Christkind wär’…
– immer vorausgesetzt es hat wirklich so viel Macht wie es scheint –
Wär’ in kürze, die ganze Welt friedlich vereint.

Wenn ich das Christkind wär…
– nun, ich kann’s nicht sein, so bleibt alles beim alten –
Ich kann höchstens versuchen gerecht zu verwalten
Die Dinge ganz nah um mich drum herum,

wär ich das Christkind, s lief bei mir ebenso krumm.

 

Franz, der Vorsatz

Das Neue Jahr eilt morgengrau seinem ersten Tag entgegen.
Ich schlendre langsam hinterher – mein guter Vorsatz daneben.
Lach du nur, ich mag’s dir gönnen, sicherlich!
Denn alle wissen wir seit Jahr’n: nen guten Vorsatz hält man nicht.

Auch du wirst mit der Zeit verblassen, Vergessenheit kommt über dich,
denn alle wissen wir: nen guten Vorsatz hält man nicht.
Mein Vorsatz grinst, komisches Gefühl,
ich frag’ mich plötzlich, was denn nun mein Vorsatz von mir will.

Ref.: Das neue Jahr – grad war’s noch klar
Kaum begonnen, muss es geh’n
Der gute Vorsatz wird nie wahr
Das kann man jetzt schon deutlich seh’n

Um zwölf hat er mir zugeprostet – ich lieb’ das kleine Ritual!
Wer hält schon einen Vorsatz? Vergiss ihn wie ‚nen Schal!
Doch dieser hier – ich nenn’ ihn Franz – weicht seit Tagen keinen Schritt.
Ich schubs ihn weg, Franz tanzt und ruft: „Ich komm gleich mit!“

Er strahlt mich immer penetrant und jeden Tag aufs Neue an.
Im Spiegel zwei Gesichter: erst meins, Franz hinten dran.
Fünf Wochen später geb’ ich’s auf, ich bin ein Wrack, total am Ende.
Franz kauf’ ich einen Schal – vielleicht bringt das die Wende?

Ref.

Doch Fränzchen kümmert sich nen Dreck um meine inneren Belange.
Er möchte einfach bei mir sein, sonst sei’s ihm schrecklich bange.
Der Frühling kommt, der Sommer geht, der Herbst strahlt feurigrot und prall.
Franz ist wie immer nah bei mir, folgt sogar bis zum Heiligen Stall.

Endlich ist Silvester, Franz kommt mir alt und müde vor.
Ich packe ihn am Kragen und schlepp’ ihn vor das Tor.
Um Mitternacht beim Feuerwerk geschieht ganz sanft und sacht
Mit Franz ne Wandlung, denn er wird, mein neuer Vorsatz über Nacht.

Ref.

 

Die härteste heilige Zeit

Im Januar weiss schon jeder das Datum auswendig
Vom Jahresereignis: dem Weihnachtsessen mit dem Betrieb.
Für alle Hobbyschauspieler   d e r    Kick,
Sie üben nämlich, was ihr enorm gutes Stimmband hergibt.

Ref.:

Ich steh an der Theke und putz alles blank,
wie jedes Jahr, wie jedes Jahr.
Sie ham gebechert, getrunken, gesungen auf der Bank,
wie’s immer war, wie’s immer war.

Sie dichten und texten von oben bis unten Blätter voll,
sie lachen sich krumm und finden sich dabei supertoll.
Der Chef wird veräppelt, die eigenen Kollegen auch –
Mit viel gesuchtem Witz, von geistreicher Ironie nicht mal ‚n Hauch.

Je später der Abend um so besser gelaunt die Gäste sind,
der Applaus nimmt zu je mehr Alkohol die Kehl’ runterrinnt.
Gegen drei Uhr morgens versichert Eduard dem Leiter,
dass er unbedingt geh’n sollte, denn das bringe ihn schneller weiter.

Ref.:

Um vier kommt wie immer der absolute Höhepunkt:
Man singt gemeinsam Lieder bestimmt ‚ne halbe Stund.
Ich begucke die Krawatten-Fritzen,
wie sie so hohl und leer auf ihren Hintern sitzen.

Schnell neh’m ich mir einen Lumpen und fang zu putzen an,
denn je schneller ich fertig bin, genehmig’ ich mir ‚ne grosse Kann’
vom besten Kaffee weit und breit.
Damit steh’ ich sie durch, die härteste „Heilige Zeit“.

 

Wunschzettel 2001

Nein, ich wünsche mir keine neue Küchenwaage,
etwas mehr Gerechtigkeit wäre mir lieber.
Die Wanduhr im Wohnzimmer ist noch zu gebrauchen,
etwas mehr Zeit zum Leben wäre schön.
Barbiepuppen und Spielzeugsoldaten lass’ ich links im Regal liegen,
die Kinder bekommen ein grosses Paket Menschlichkeit.

Den Christbaum schmücken wir mit hellen, klaren Worten,
der Mut, sie zu gebrauchen, steckt im Engelshaar.
Und zum Schluss lass’ ich alle weissen Tauben fliegen,
denn um sich auszubreiten, braucht der Friede Freiheit.

 

 Ein Engel auf Erden

Es war ein Samstag im Dezember im Himmel:
Der Engel flog einen gewagten Kringel –
Da stürzte er – was’n’Schreck –
Ins Ozonloch hinab und war sofort weg.

Ref.:   Im Himmel, im Himmel da läuft manches schief,
Es drückt durch die Wolken von der Erde der Mief.
Auf Erden, auf Erden brauchen wir hier vor Ort
Die Engel vom Himmel, jetzt gleich und sofort.

Zünftig zerknittert und garstig benommen,
war er kurz darauf auf der Erd’ angekommen.
Die Menschen schimpften und dachten sofort:
„Warum trifft das Unglück jetzt unsern Ort?“
Sie hielten den Engel für eine Bombe –
Oder `nen Räuber aus der  Katakombe.
Sie hatten verlernt das Gute zu sehen,
verlernt aufeinander zu zu gehen.

Ref.

Der Engel indessen war guter Dinge
Und dachte: „Das beste wird sein ich singe
Laut und deutlich die Hymne von Oben –
Dann werden sie mich ganz sicher loben.“

So hob er laut zu singen an,
gleich kamen ein Hund daher und ein Mann.
Sie hielten dem Engel `ne Flasche hin:
„Da, mein Brüderchen, nimm’ `nen Schluck Gin.
Ich weiss wie es ist auf der Strasse allein –
Hör’ auf zu jammern, `s kommt eh kein Schwein.
Wir alle verrecken hier leise und stumm.
So zu schrei’n wie du, das ist ziemlich dumm.
Du hetzt uns noch die Polente an’ Hals,
sie sperren uns ein wegen des lauten Krawalls.“
Der Engel dachte: „So schlimm kann’s nicht sein.“
Doch da hob der Hund gerade das Bein.

Ref.:

Der Mann nahm die Flasche und trollte sich fort,
„Halt, warte!“ rief der Engel, „nur noch auf ein Wort.
Heute ist Weihnachten, darf ich dafür
Dir öffnen eine ganz andere Tür?“
Er langte nach hinten in sein Gefieder.
Der Mann dachte bloss: „Was tut er nun wieder?“
Da gab der Himmelbewohner ganz sacht
Eine Feder dem Mann, es wurde grad Nacht.

Um die drei herrschte jetzt helles Licht.
Den kalten Nachtwind spürten sie nicht.
Der Mann hielt das Glück in seinen Händen
Und das würd’ ich gerne euch allen schenken.

Ref.:

Sogar der Hund liess sein Bein wieder sinken,
er wollte dem Engel zum Abschied winken.
Am nächsten Tag fand man goldenes Haar –

Was meint ihr?  Ist die Geschichte wohl wahr?

 

 365

364 Blatt – abgerissen, weggelesen.
Die Zeit vergeht, nichts ist gewesen,
das ich mir aufschrieb, um’s zu wissen
an andern Tagen, den gewissen,
die wir am liebsten streichen würden,
weil uns der Alltag grosse Hürden
stellt, mit Steinen auf dem Weg
und niemand weiss,  wer sie dahin gelegt;

Hätt’ ich mir irgendwann notiert:
„Wir waren wandern heut, zu viert
Und es war herrlich, sonnig, klar.
Ach, ist das Leben echt und wahr!“
Und an der Wand hing die Notiz,
unübersehbar wie vom Eisberg die Spitz’.

Vielleicht würd’ sie bei Alltagssorgen
Mir ihre Leichtigkeit kurz borgen.
Nur einen klitzekleinen Blick
Wollt’ ich schnell werden auf das Glück.

Heut’ reisse ich das letzte Blatt
Von meinem Spruchkalender ab.
Fürs nächste Jahr nehm’ ich mir vor:
Ich hab fürs Schöne auch ein Ohr,
ich will das Gute besser sehen-
nun kann getrost zu Bett ich gehen…

 

Zwei Elfchen

Heute bist Du mein Stern
Morgen bist Du
mir schnuppe
Sternschnuppe

Schnee, nasse Füsse, am
Anderen Tag Schüttelfrost
40 ° Fieber
Waldweihnacht

 

Advent, Advent das Häuschen brennt..

Es ist der erste Advent und ich sagte zu dir:
„Zünd’ ne Kerze an, dann wird’s gemütlich hier.“
Doch ich hab’ nichts gesagt vom ganzen Haus.
Jetzt brennt’s hier lichterloh – ich krieg’s nicht mehr aus!

Es ist der zweite Advent und nun friere ich hier
auf dem Zeltplatz am See, es gibt nicht mal ‚n Bier.
Ich hatt’ doch nichts gesagt vom ganzen Haus.
Es brannte lichterloh – ich rannte schnell raus.

Ref.: Ich dachte MannoMannoMannoMannoMann!
Du weisst, wie man mit Feuer spielt.
Ich sah die Kerze und du gingst da sofort dran –
mit dem Streichholz hast du dann auf den Vorhang gezielt.

Es ist der dritte Advent und ich wünsch’ mir so sehr
Zu dem Weihnachtsfest einen Feuerlöscher.
Den ich dann installier im neuen Haus.
Und dem nächsten Brand – mach ich eiskalt den Gar aus

Es ist der vierte Advent und ich hätte so gern
Von der Bahnhofsmission nen kleinen Weihnachtsstern
Denn da in meinem Zelt ist’s schrecklich kahl.
Es brennt ‚n Kerzchen nur, das ich im Kaufhaus stahl…

 

Weihnachten im Kaufhaus

Für Tante Rosi, die mag es schön bunt,
den gestreiften Schirm für den Regen.
Dem Dackel Osiris, ihrem fetten Hund.
Stell’ ich was zum Fressen daneben.

Die Dame am Tresen schaut grimmig zu mir –
Onkel Albert wünscht sich einen Hahn –
Ich trage ihn bei mir, kann ich was dafür,
dass er lärmt wie fünfhundert Fanfar’n.

Ref:    Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür!
Die Engelein klopfen und es fürchtet mür
Ganz schrecklich vor Kaufhäusern bis oben voll,
Wo Fremde mir sagen, was ich kaufen soll.

Mit Tüten und Taschen und völlig erschöpft
Suche ich einen Platz im Café.
Alberts Hahn legt’s drauf an, dass ich ihn bald köpf’
Und serviere beim nächsten Soupé.

Nach drei Tassen Tee und einem Stück Torte
Fällt mir plötzlich siedend heiss ein,
dass der Kinderhort heut’ früher schliesst seine Pforte,
ich müsste schon lange dort sein.

Mit blauklammen Händen und frostroten Nasen
Finde ich meine Kinder im Schnee.
Sie heulen und jammern im Fieber und faseln,
vom Bär, einem Wolf und ner Fee.

Ref:

Ich schaff’s gut nach hause und bringe geschwind
Die schlafenden Kinder ins Bett,
bald ist Mitternacht, wie die Zeit schnell verrinnt –
Weihnachten ist doch so nett!

Ref:    Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür!
Die Engelein klopfen und es fürchtet mür….

 

Schneema

„I ha scho besseri Zeit gseh“
seit dr kleini Ma us Schnee
Er luegt so trurig, wässrig dri
Aber d’Sunne lot’n eifach nid sii
„Vor e paar Tag hän mi d’Chind baut
Diä wän sicher nid dass es taut“
„Das gaht mich nüt a“, rüeft d’Frau Sunne
Und schläckt grad witr an em ume

Es söll jetz ändlig Früelig werde
Dass d’Blueme wachse’n’uss dr Erde
Dass alli Kinder umespringe
Und alli Summervögel singe

„Verzell kän Kafi“, seit dr Ma
„Lueg döt, diä wän no Winter ha;
Dr Linus und au dr Andri
Di wän no go snöbä mit de Schi“.
Doch d’Sunne lacht dr Schneema us:
„Du hesch jo nümme länger Pfuus;
Wie wotsch go snöbe mit de Schi, hm?
Mit Dir isch’s jetz denn gli vrbi“
Dr Schneema luägt beleidigt dri
Und süfzget: „Denn muess es halt so sii;
I flühss zrugg ins Winterland
Döt git mer grad dr Iisbär d’Hand

 

Tintin

Ich häng’ stundelang vorm Tivi, spiel’ Computer bis id’Nacht,
mit den Eltre han i deshalb immer krach.
Es het no en neue, ganz neue, Werchzüügchaaschte in üsem Huus,
doch mit Zange, Hammer und Nägel chumm ich nid druus.

Ich han Lego-Technic, Drache, es paar Bänd vom Papa Moll
Und jetzt isch mis Zimmer total pumpevoll.
Aber nüd, gar nüd hätt mich aagmacht, bis mi Tante zuenüs isch cho
Und sie hett do für mich en Comic liege glo.

Eimol isch d’ Tante Cecil zur Wiehnacht cho,
hett es Gschenk uf de Tisch glait und xait:
I bi gspannt, ob’s Dir gfallt und wie Du das findsch
Denn mit Computerspiele und Fernsehluege bin i im Clinch
D’Tante Cecil, die isch jo scho ursteialt,
d’ Lara Croft würd’ sie mir niemols geh –
aber d’Cecil find ich megagigacool
sie het mir de Tintintintin
sie het mir de Tintintintin…..gäh.

Plötzlich isch’s egal, ob’s Ziischtig, Mittwuch oder Dunnschtig isch,
s Fernsehheftli hani lang nümme gsuecht.
Ich lies i de Hängematte „On a marché sur la lune“
Und am beschte gfallt’s mer, wenn de Haddock fluecht.
Und de Käpt’n, dä stiigt grad us de Mondrakete us zmitt’s im All,
doch de Tintin goht ne go rette i jedem Fall.
Es isch guet, so guet git’s de Käpt’n neb em Tintin und em Milou,
denn für mich isch de Käpt’n Haddock de grossi Clou.

Eimol isch d’ Tante Cecil zur Wiehnacht cho,
hett es Gschenk uf de Tisch glait und xait:
I bi gspannt, ob’s Dir gfallt und wie Du das findsch
Will mit so MonschterKarte und Merchandising bin i im Clinch
D’Tante Cecil, die isch jo scho ursteialt,
Yu-Gi-Yo würd’ sie mir niemols geh –
aber d’Cecil find ich megagigacool
sie het mir de Tintintintin
sie het mir de Tintintintin…..gäh.

Und min Franzi-Lehrer chunnt zu mir und sait: „Wo häsch denn de Spick?
Wörtli häsch du doch no nie so guet gleehrt.
Jetzt schriibsch glatt e Sechsi und ich glaube nämlich, do git’s en Hick,
also säg mer sofort, was lauft denn do verkehrt!“
Ich zieh langsam, ganz langsam, de Tintin usem Schuelsack unterem Pult
Und säg:“Lueget Sie nu, dä Comic isch do dra schuld,
dänn ich lies ihn fascht jede Obig i miim Bett bis spot in dr Nacht
mit de Taschelampe susch schlönt mini Eltre Krach.“

Eimol isch d’ Tante Cecil zur Wiehnacht cho,
hett es Gschenk uf de Tisch glait und xait:
I bi gspannt, ob’s Dir gfallt und wie Du das findsch
Denn mit Computerspiele und Fernsehluege bin i im Clinch
D’Tante Cecil, die isch jo scho ursteialt,
sone Playstation würd’si mir niemols geh –
aber d’Cecil find ich megagigacool
sie het mir de Tintintintin
sie het mir de Tintintintin…..gäh.

 

Besinnliche Zeiten

 Weihnachten, heisst es, sei das Fest der Kinder.
In Brasilien sind Kinderbanden oft die einzige Sicherheit,
um einigermassen zu überleben.

Weihnachten, heisst es, sei das Fest der Familie.
In Uganda ist fast keine Familie mehr vollständig.
Niemand weiss, ob die Verschwundenen noch leben.

Weihnachten, heisst es, sei das Fest der Liebe.
In Israel wird es noch lange Selbstmordattentäter geben,
die viele mit sich in den Tod reissen.

Weihnachten, heisst es, sei das Fest des Friedens.
Im Irak sind die Menschen froh, wenn der Tag
Ohne Schiessereien in den Strassen vorübergegangen ist.

Das Fest der Besinnlichkeit?

Ich wünsche mir einen Wimpernschlag Besinnung,
um zu erkennen, dass mein Feind auch ein Mensch ist,
die Natur ihren Platz braucht,
der Himmel nicht nur ein schwarzes Loch ist.

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 D i e   G e s c h i c h t e n

 

Einfache, kleine, rote Kerzen

Luzia nähert sich der Stadt, als es zu dämmern beginnt. Links taucht ein rundum mit Lichterketten geschmücktes Haus auf, im rechten Augenwinkel sieht sie einen Schlitten mit zwei Rentieren und einem Nikolaus drauf.
Im Kaufhaus weisen grellneonfarbene Schilder auf die Weihnachtsabteilung im 2. Stock hin.
„Eigentlich brauch’ ich nur einfache, kleine, rote Kerzen“, denkt Luzia, während sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge bahnt. Im Zweiten angekommen, leuchten ihr hunderte von Lichtern entgegen: Sterne mit Schweif, Sterne ohne Schweif, Schneemänner mit bunten Lichtern, Rentiere mit Halogenlampen. Luzia kneift die Augen zu.
„Irgendwie war Weihnachten früher weniger blendend“, murmelt sie vor sich hin, während sie Halt sucht.
„Ist Ihnen schlecht?“ raunzt sie eine missmutige Verkäuferin an. „Die Rotkreuzler sind ein paar Minuten zu Fuss von hier in der Innenstadt.“
Luzia schüttelt den Kopf: „Danke, es geht schon. Es ist nur – das Licht, es hat so unheimlich viel Licht…“
Die Verkäuferin sieht sie verständnislos an, setzt ein mechanisches Lächeln auf und wendet sich wieder dem Gestell zu, das sie gerade auffüllt.
Vor Luzias Augen tanzen rote Ringe. Eine Weile schaut sie zu Boden, ein wohltuend grauer, matter Boden. Schliesslich wagt sie sich in die Abteilung hinein.

Eine Ewigkeit später, wie ihr scheint, steht sie wieder auf der Strasse, in der Hand eine Tüte mit den Kerzen, den einfachen, kleinen, roten Kerzen. Sie schaut in den Himmel. Wo sind die Sterne? Nicht jene mit den Glühbirnchen, von denen immer welche kaputt sind, die echten Sterne!
Vergeblich hält sie danach Ausschau. In all der Lichterpracht sind sie nicht mehr zu erkennen. Luzia kann nicht einmal feststellen, ob es bewölkt ist oder nicht.
„Vielleicht ist heute einfach nicht mein Tag. Aber irgendwie war Weihnachten früher wirklich samtfarbener. Heute knallt es ganz fürchterlich.“
Nachdenklich fährt sie nach hause.

Am nächsten Tag ruft sie ihrem Arbeitskollegen an: „Hast du nicht jemanden gesucht, der mit dir den Dienst von Heiligabend tauscht? Ich würd’ ihn gern übernehmen!“
Kurz darauf fährt sie wieder in die Stadt, kleine, rote Kerzen kaufen.
Am 24. Dezember ist Luzia von Haus zu Haus unterwegs und wirft kleine Päckchen in jeden Briefkasten. Danach geht sie im Elektrizitätswerk arbeiten.
Als es zu dunkeln beginnt, wundern sich die Leute: Im ganzen Ort herrscht Stromausfall. Sie sind froh, dass sie alle Kerzen bei der Post gefunden haben, wenn auch nur einfache, kleine, rote Kerzen. Es wird ein kerzenheller, gemütlicher Weihnachtsabend, ohne hektisches Auswechseln von Glühbirnen, Stolpern über Lichterkettenkabel oder blendende Blinksterne.
In der Chronik des Dorfes wird man später lesen, dass dies der „Abend der einfachen, kleinen, roten Kerzen“ gewesen war.

 

Das Fest der Liebe

Der Fuchs hatte dieses Jahr für alle von ihm bedrohten Tiere ein Weihnachtsfest organisiert, weil er sich mit ihnen aussöhnen wollte. Da seine Einladungen sehr einfühlsam und offensichtlich aufrichtig verfasst worden waren, hatten schliesslich auch die ärgsten Zauderer zugesagt.
Seit drei Tagen stand er in der Küche, kochte vegetarische Gerichte und bastelte dazwischen hübsche Tischdekorationen.
Endlich war es soweit: der Christbaum erstrahlte im Kerzenlicht, für alle hatte der Fuchs ein passendes Geschenk gefunden, der Tisch bog sich unter den aufgetragenen Köstlichkeiten.
Als die Gäste da waren, betrachtete der Fuchs seine ehemaligen Gejagten: Eine besonders gut genährte Maus drängte sich gerade zum Käsesoufflé durch, ein fettes Huhn reckte den Kopf nach dem Grünkerneintopf. Das wäre alles noch nicht so schlimm gewesen, aber als er die Gans sah, wie sie genüsslich ihr Gefieder putzte und sorgfältig über dem dicken Hinterteil glatt strich, war es um ihn geschehen.
Da nutzte es auch nichts, dass er sich all’ seine fleischlosen Lieblingsgerichte ins Gedächtnis rief.
Zuerst biss er der Gans in den Hintern, dann zerfleischte er die Maus, nun war der Hals des Huhns an der Reihe. Nach wenigen Minuten waren alle seine Gäste niedergemetzelt.
Der Fuchs fühlte sich seit langem einmal wieder so richtig satt.
Als er sich ins Bett legte, dachte er bei sich: „Es geht doch nichts über ein Fest mit Freunden…“

 

Balduins Ohnmacht

Balduin sass auf einer grossen Schlechtwetterwolke und war etwas melancholisch gestimmt. Er hatte friedlich einen Himmelshonigtee getrunken und auf die Erde herab  gesehen. Was sah da sein Engelsauge? Überall Lichter, Sterne, Kränze…

„Oje, es wird bald Weihnachten sein!“ seufzte er und ihn fröstelte.

„Hallo Balduin, alter Freund!“ schreckte ihn da Engel Gustav aus seinen Gedanken.

„Was machst du denn für ein Gesicht?“ fragte er Balduin.

„Hast du’s noch nicht bemerkt? Es weihnachtet!“

Gustav schreckte zurück, als ob er eine Ohrfeige bekommen hätte und verfiel ebenfalls in trübes Brüten.

„Woran denkst du?“ fragte schliesslich Balduin.

Gustav schwieg, schnaufte dann vielsagend: „ Du erinnerst dich an die selbstgebackenen Amokläufer?“

„Ouuu…“ Balduin schüttelte sich. Nein, eigentlich wollte er sich nicht daran erinnern.

„Was hätte es geben sollen?“ – „Ich glaube Umweltschützer.“

„Und was war die Ausrede gewesen?“ – „Ich dachte, Pfefferkuchen enthielten viel Pfeffer….“ äffte Gustav den lieben Gott nach.

„Naja, seither pfeffert’s ja ganz nett auf der Erde. Kennst du ein Land, das noch keinen Amokläufer hatte?“

Nach etlichen schweigenden Minuten begann Gustav: „Was war die Vorlage für die Terroristen gewesen?“

„Warte mal, hatte er nicht perfekte Piloten basteln wollen? Dummerweise verklebte er ihnen das Gehirn und den Rest kennen wir ja.“

„Ich versteh’ bloss nicht, warum er darauf beharrt, dass er uns etwas selbst machen will.“

„Genau, und wegwerfen geht auch nicht, sonst ist er stinkbeleidigt. Mir graut jetzt schon, vor diesem Heiligabend.“

Balduin lehnte sich zurück und dachte an letztes Jahr. Der liebe Gott hatte ihnen beiden künstlichen Schnee geschenkt. Tonnenweise Schnee und Eis, weil Balduin einmal erwähnt hatte, dass er früher ganz gerne Ski fahren gegangen sei. Gustav hatte ziemlich erleichtert ausgesehen, denn mit Schnee und Eis konnte der liebe Gott wohl nicht so falsch liegen. Doch irgendetwas am Mischverhältnis von Kälte und Wasser war schiefgelaufen. Bald schmolz der Schnee, ebenso das Eis und auf der Erde regnete es ununterbrochen. Mal im Norden, mal im Osten – viele Flüsse traten über die Ufer, tausende von Menschen verloren ihre Häuser. Da der liebe Gott gerne üppige Geschenke machte, stapelten sich auch nach fast einem Jahr noch immer die Wassermassen im Himmel.

Balduin seufzte laut und vernehmlich.

Seit Jahren wollten sie den alten Herrn davon abbringen, Geschenke zu machen – ohne Erfolg. So öffnete sich am 24. Dezember die Türe der guten Himmelsstube. Der Christbaum funkelte hell und in sämtlichen Farben des Regenbogens. Gustav und Balduin schlichen mit gesenkten Köpfen ins Zimmer, schielten während der Hymnen verstohlen zu den Geschenken. Dann war es so weit – viel zu schnell, wie die Engel fanden.

„Bescherung, Bescherung!“ rief der liebe Gott fröhlich und drückte den beiden ihre Päckchen in die Hände.

Balduin zog als erster an der Schleife. Sie bewegte sich keinen Millimeter. Er zupfte energischer daran – wieder nichts. Auch bei Gustav löste sich das Band nicht.

Der liebe Gott wurde ungeduldig.

„Was tut ihr denn? Ich hab’ doch keine gordischen Knoten gemacht!“

Nein, das hatte er nicht. Mit Himmelsbändern war es aber so eine Sache: waren sie erst einmal um eine Schachtel gebunden, liessen sie sich ausschliesslich am Knoten öffnen. Scheren und Messer hatten keine Chance. Die Fee Amara hatte Erbarmen mit den Engeln gehabt und die Knoten verzaubert. Sie würden sich die nächsten 2000 Jahre nicht öffnen lassen.

Da entdeckte Gustav den Feenstaub und wusste Bescheid. Genüsslich verrieb er die Körnchen zwischen seinen Fingern.

„Amara war da!“ dachte Gustav. „Amara hat uns gerettet!“ flüsterte Balduin, der ihm zugesehen hatte und fiel in eine wunschlos glückseelige Ohnmacht.

 

 

 

 

Anforderungen an ein Geschenk:

 

Es sollte einfach, selbst gemacht und von Herzen sein.

Wie wär’s mit einem Kuss??

 

 

 

 

Märchen 3000

 

Es war einmal eine kleine giftgrüne Tanne. Sie war in einem Reagenzglas des Genforschungs-institutes zur Welt gekommen und hatte noch nie draussen in der Natur gestanden. Ihre Heimat war ihr schon immer zu steril, zu kalt und zu glatt vorgekommen. Doch bald würde sie etwas Neues sehen. Die leitende Professorin hatte nämlich morgens in der Sitzung gesagt:

„Forschungsobjekt Nr. 3000 taugt nichts mehr. Die Farbe, die wir mit den veränderten Genen erzielen wollten, ist uns nicht geglückt. Werfen wir’s weg.“

Und so kommt’s, dass die Tanne wenige Stunden später auf dem Komposthaufen der Institution landet.

Es ist Dezember und überall leuchten Sterne und Lichter. Im Fenster des Hausmeisters glitzern Christbaumkugeln und Lametta an einer kleinen dunkelgrünen Plastiktanne.

Nr. 3000 sieht das begeistert; auch der Wind, der Geruch der Erde, die Sonnenstrahlen beeindrucken sie. Als eine rote Ameise über ihren Stamm läuft, geht ein wohliges Kribbeln durch ihre Äste und Nadeln.

Am nächsten Morgen merkt sie, dass ihre Kräfte schwinden.

„Ich wäre so gerne geschmückt wie der Baum hinter dem Fenster…“

Sie seufzt tief. Dies hören die Restgene einer Silberdistel und einer Goldmelisse, die in der Tanne mitverarbeitet sind.

„Sollen wir…?“ fragt das eine Gen das andere. Und bald darauf spürt die Tanne, dass in ihrem Innern etwas angelaufen ist. Plötzlich bilden sich an den Spitzen silberne und goldene Zäpfchen, die langsam und stetig grösser werden. Einige Nadeln vergolden und versilbern sich, werden zu langen, dünnen Fäden. Forschungsobjekt 3000 schaut erstaunt an sich herunter, würde sich sicher die Augen reiben, wenn da Arme und Hände wären. Doch das war bei diesem Projekt nicht vorgesehen.

Nach zwei Stunden ist alles vollbracht. Die giftgrüne Tanne ist rundum golden und silbern geschmückt. Stolz reckt sie ihre Äste in alle Himmelsrichtungen und fühlt sich so gut wie noch nie.

„Was’n das für’n komischer Baum?“ hört sie da jemanden sagen.

„Mensch, Olle, seit wann interessieren dich denn Bäume?“

Kurz darauf wird Nr. 3000 in ein weiteres Abenteuer mitgenommen.

Abends kommt sie dank den Silberdistel- und Goldmelissengenen zu Weihnachtsbaumehren. Mitten in der Stadt auf einer Baustelle bei Olle, seinen Kumpels und mit einigen Litern Schnaps. Wahrscheinlich auch mit genmanipulierten Zutaten.

 

Vielleicht erzähl ich Euch einmal das Märchen, welches von Mais handelt und wie Embryos werden, wenn ihre Mütter davon essen.

 

 

 

 

Nikolausgedicht

 

Ach du lieber Nikolaus,

geht dir nicht auch die Puste aus?

Sie hetzen alle um mich her –

Doch ich steh’ still, ich will nicht mehr

Von links nach rechts, im Kreis rum rennen

Und sinnlos Energie verbrennen.

Schenk mir doch bitte, gross und breit,

ein Bett für die Gemütlichkeit.

Die Süssigkeiten nimm’ nur mit,

dann bleibst du selber immer fit

für deine Reise um die Welt –

Kommst du auch ins Nomadenzelt??

Schenk allen Kindern Fröhlichkeit

Und ihren Eltern ganz viel Zeit.

 

 

 

 

Gäste

Wer Weihnachten nicht alleine feiern möchte, sollte das ganze Jahr über kräftig vor seiner eigenen Haustüre kehren, sonst trauen sich die Gäste nicht über den Dreckberg, der sich auf der Schwelle angesammelt hat.

 

 

 

 

Abserviert

Der Weihnachtskaktus war eine absolute Ausnahme seiner Gattung. Seit Jahren flirtete er mit allen Pflanzen, die ihn umgaben, erfolgreich. Ungeachtet seiner Stacheln lag ihm die ganze weibliche Vegetation zu Füssen und begehrte ihn.

Seit kurzem stand eine zierliche Rottanne mit umwerfend grünen Nadeln neben ihm. Eines Morgens streckte er sich ausgiebig und putzte sich aufs beste heraus.

„Madame, seit Tagen bewundere ich Ihre vortreffliche Haltung und das frische, saftige Grün. Gerade zu dieser kalten Jahreszeit trifft man wenige, die sich solchermassen an die Etikette halten, was ich jedoch enorm wichtig finde. Wo kämen wir da hin, wenn alle sich gehen liessen wie die Laubbäume? Ich dachte mir, dass ich es wagen könnte, Sie nach Ihrem werten Namen zu fragen; so von Edelmann zu Edelfrau…?“

Die Rottanne hatte zugehört, ohne mit einer Nadel zu zucken. Nun, da er geendet hatte, warf sie einen vernichtenden Blick auf den Kaktus (der übrigens kleiner war) und antwortete: „Sparen Sie sich Ihre Energie für andere. Ich halte nichts, aber wirklich auch gar nichts von bikulturellen Beziehungen.“

Von Stund an zeigte sie dem Kaktus nur noch die kalte, stachlige Schulter.

 

 

 

 

Brandheisse Geschenke            oder: Was schenkt man Drachen eigentlich zu Weihnachten?

 

„Nein! Was hast du denn schon wieder gemacht?“

Mirusch zog seinen Schwanz ein, hastete in die Küche und kam mit einem Eimer Wasser zurück.

PLATSCH! schüttete er alles über den Tisch, machte rechts um kehrt, holte noch einen Eimer voll und noch einen. Nach dem vierten Eimer endlich wagte er es, Prissina wieder anzuschauen.

„Jetzt soll ich wieder die ganze Schweinerei aufputzen? Nur, weil du zu grosse ungeschickte Pfoten hast, muss immer ich die Feinarbeit erledigen…“ sie schimpfte und zeterte noch ein Weilchen weiter.

Mirusch trottete mit gesenktem Kopf zurück in die Küche, räumte den Eimer auf, wischte das Spülbecken so gut es ging trocken und verzog sich in sein Nest in der Scheune.

Es war seit Tagen neblig, Raureif überzog alle Bäume und Häuser. Er liebte diese Stimmung, liebte es, am Spätnachmittag eine Kerze anzuzünden und Prissina bei der Arbeit im Laden zu helfen.

Nun sass er in der Scheune und es war ihm zum Heulen. Keiner im Dorf hatte ihn damals haben wollen, alle hatten Angst vor ihm gehabt – ausser Prissina. Sie war vor ihn hingestanden: „Heb’ mich hoch, ich möchte dir in die Augen schauen.“ Vorsichtig hatte er sie zwischen die Pfoten genommen und sie hatten einander gemustert.

„Du bist ein guter Drache!“ hatte Prissina entschieden. Ja, für sie wollte er das sein. Meistens hatte es bis jetzt auch geklappt, ausser dieser einen Sache.

Wie soll ein riesiger Drache mit einem riesigen Feuerstrahl eine Kerze auf dem Tisch anzünden, ohne einen Hausbrand zu entfachen? Heute hatte er es wieder versucht.

„Ich Idiot!“ schalt er sich, „ wie konnte ich nur glauben, dass es diesmal gehen würde! Prissina wird mich nie mehr ins Haus lassen, das ist schon der fünfte Tisch, der gebrannt hat…“

 

In den nächsten Tagen sah Prissina ihren Hausdrachen nicht. „Er wird wohl wegen des Tisches ein schlechte Gewissen haben“, dachte sie. Da es kurz vor Weihnachten war, machte sie sich nichts daraus. Bald kamen ihre Nichten und Neffen und sie benutzte jede freie Minute, um Plätzchen zu backen. Mirusch war sonst immer dabei gewesen, Teigschüsseln schleckte er für sein Leben gern aus. Dieses Jahr war er nicht zu sehen. Zuerst fand Prissina, dass es ohne ihn viel besser voranging, irgendwann stellte sie die Backschüssel vors Fenster. Vielleicht lockte ihn das? Als sie zu seinem Lieblingsrezept kam, rief sie ihn sogar in der Scheune; aber Mirusch war nicht da.

Prissina war traurig und besorgt. Hatte sie zu heftig geschimpft? War er etwa ausgezogen, um sich ein neues Heim zu suchen?

Den Kopf in beide Hände gestützt hockte sie am verbrannten Tisch – „ach Herrjemine! Die Zimtsterne!“ Sie sprang in die Küche, aber es war schon zu spät. Betrübt schaute sie sich die verbrannten Plätzchen an. „Wahrscheinlich kommt er nicht einmal an Weihnachten“, murmelte sie.

Am 24. trudelten die Gäste ein, Prissina servierte Süsses, hörte sich Geschichten der Nichten und Neffen an, kochte Kaffee und Tee. Trotzdem zog sich der Tag entsetzlich in die Länge.

„Kommt, wir wollen die Christbaumkerzen anzünden!“ rief sie, als es zu dunkeln begann.

Da ging die Tür auf.

„Prissina, lass‘ mich die Kerzen anzünden“, bat Mirusch.

„…aber…“, mehr brachte Prissina nicht heraus, denn der Drache hatte schon begonnen, Feuer zu spucken.

Doch was war das? Eine Kerze nach der andern wurde behutsam und mit kleiner Flamme entfacht.

Als der ganze Baum im Kerzenlicht erstrahlte, drehte Mirusch sich stolz um.

„Na?“ fragte er, „wie findest du dein Weihnachtsgeschenk?“

Prissina wurde verlegen: „Weisst du, ich finde es das beste, das du mir jemals machen konntest. Allerdings ist meines für dich jetzt überflüssig.“

Damit reichte sie ihm ein kleines längliches Päckchen.

Wisst Ihr, was drin war?

 

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Der teetrinkende Kalender

Ein Kleinsthörspiel für einen Schluck und drei Personen

Schlürfgeräusche und andere Hinter- und Untermalungen sollen nach Belieben einfliessen.

Es war einmal ein Kalender mit 24 Türchen…

Fenster! Ich hab’ Fenster!

Bitte? Wer unterbricht meine Geschichte?

Ich, der Kalender. Seit 400 Jahren hör’ ich mir euer Geschwätz mit den Türen an. Es sind Fenster.

 Also gut. Ich werde mich korrigieren. Dann fange ich jetzt noch mal an:

Es war einmal ein Kalender mit 24 Fensterchen…

Fenster! Ich bin schliesslich ein grosser Kalender. Ausserdem könntest du etwas mehr Ehrfurcht vor dem Alter zeigen. Bin mindestens 360 Jahre älter als du.

Sag mal, Kalender, die letzten Jahre habe ich keinen Pieps von dir gehört. Warum jetzt?

Weil das Mass voll ist. 3299 Türchen musste ich über mich ergehen lassen. Nun reicht’s! Ausserdem hab’ ich Durst.

(längere Stille)

Hast du mich gehört? Ich hab’ Durst.

Warum sprichst du?

Weil das Mass voll ist und ich 3299 Tür…

Nein, ich meine nicht das. Warum sprichst du überhaupt?

Na, weil ich’s gelernt hab.

Wie?

 Mit Fenster Nummer 17.

Hör mal zu: auf den Arm nehmen kann ich mich selbst…

Du redest doch auch.

Aber mit dem Mund!

Ich hab’ nun mal keinen.

Stimmt. – Soll ich die Geschichte jetzt weiter erzählen?

Ich hab’ immer noch Durst…

Was hättest du denn gern?

Vanille-Tee mit einem Schuss Milch.

So kommt es, dass die Geschichte vom Kalender mit den 24 Türen – pardon – Fenstern nie zu Ende erzählt wurde, weil der Erzähler und der Kalender einen gemütlichen Tee-Nachmittag verbrachten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so trinken sie noch heute.

 

Warum Günter nie mehr den Nikolaus spielt

Unzählige male hatte Günter Krumm bei unzähligen Kindern den Nikolaus gespielt. Oft schmälerte er die tadelnden Worte erheblich oder liess sie ganz weg, malte dafür die Lobsagungen äusserst fantasievoll aus.

„Ich liebe es, in meiner Freizeit kreativ zu sein!“ pflegte er zu sagen, wenn er von Bekannten kritisch darauf angesprochen wurde. Am liebsten aber fragte er die Kinder, wofür sie denn die Eltern in den Sack stecken würden. Zuerst waren die Kleinen verlegen, dann, mit etwas Hilfe, sprudelten sie los: Dafür, dass Papa sie nur eine halbe Stunde an den Computer oder ihnen beim Kuchen backen zu wenig Teig zum Abschlecken übrig liess; Mama wollten sie in den Sack stecken, weil sie sonntags immer so lange Wanderungen mit der Familie unternahm oder den Kindern ihr Taschenmesser nicht auslieh.

Bei vielen Familien wurde Günter nur einmal engagiert. Ein Jahr später bestanden sie beim Nikolaus-Verleih ausdrücklich darauf, dass NICHT Herr Krumm zu ihnen kommen und dass ein Vorgespräch mit dem ausgesuchten Nikolaus stattfinden möge.

Doch Günter war nicht nachtragend. Die Untreue seiner Kunden hatte ihm noch nie etwas ausgemacht; im Gegenteil schienen ihn neue Familien erst recht zu reizen.

Doch dann kam jener Winter, in dem alles zu Stein und Bein gefror.

Günter hatte eine satte Woche abends Termine, am Wochenende ab Mittags sogar. Am Freitag passierte es: er hatte die Perücke und den Bart im Kofferraum gelassen, da er sie tags darauf gleich wieder brauchte. Am nächsten Morgen wollte er noch schnell etwas einkaufen gehen und da entdeckte er das Maleur: Der Bart hing zur Hälfte hinten aus dem Auto, war steif gefroren und brach, als er vorsichtig die Hecktüre öffnete entzwei.

Ein neuer Bart war schnell organisiert, die passende Perücke dazu auch. Zwei Tage später kam Günter nach seinem letzten Familienbesuch nach hause, riss den roten Mantel, Kapuze, Perücke und Bart von sich, warf alles in den Kachelofen, wo es sofort verbrannte.

„Nie mehr!“ schnaubte er wütend, „nie mehr bringt mich jemand dazu, den Nikolaus zu spielen! Nie mehr! Der Typ, der vor mir die Perücke getragen hat, hatte Läuse. Was fällt dem Verleih überhaupt ein, mir so eine verseuchte, ekelhaft grauenhafte Parasitenperücke zu geben. Nach all der Zeit!!“

Seine Frau schüttelte den Kopf und fragte sich, worüber ihr Mann sich eigentlich aufregte. Ihr Blick fiel auf das Hochzeitsfoto. Schon damals hatte er eine Glatze gehabt.

 

Eine schöne Bescherung

 Es war Heilig Abend.

Samuel war in der ersten Klasse und äusserst neugierig. Seit gestern war die gute Stube abgeschlossen, die Vorhänge zu gezogen. Ab und zu verschwand seine Mutter im Zimmer und kam mit viel sagendem Blick wieder zurück.

Nach dem Mittagessen durfte er mit seinem Bruder einen Film anschauen, wobei sie jedoch ständig stritten. Beide sehnten den Augenblick der Bescherung herbei. Ob wohl das ferngesteuerte Auto unter den Geschenken war? Oder gar die Ritterburg?

Die Sekunden dehnten sich in die Länge, die Minuten schlichen so dahin und die Stunden schienen abgeschafft worden zu sein.

Es dämmerte bereits. Beim Festmahl brachte Samuel vor lauter Aufregung fast keinen Bissen herunter und als die endlose Qual des Desserts doch ein Ende nahm, wurden die Buben in ihr Zimmer verbannt.

Endlich war der Moment gekommen: sie traten ins Zimmer, die Kerzen am Christbaum leuchteten mild, die goldenen und silbernen Geschenkbänder glitzerten verlockend, bald würde es soweit sein…

„Lasst und singen!“ hörte Samuel seinen Vater rufen. Nach der vierten Strophe des fünften Liedes waren sie auch davon erlöst.

Jetzt gleich würde es soweit sein…

„So, Jungs, nun sagt mal noch eure Gedichte auf!“ Mama schob beide noch näher an den Christbaum

Samuel biss sich auf die Lippen, stotterte gleich darauf ergeben: ‚s ist Winter überall im Land…“ Die Erwachsenen schauten verzückt, sein Bruder zog Grimassen.

Nun war’s doch aber soweit! Aber nein, Papa schritt feierlich zur Stereoanlage und legte „seinen Lieblingshaydn“ auf, wie er sagte. Endlose acht Minuten dauerte das!

Doch jetzt, jetzt musste es doch soweit sein!

Aber Oma knipste soeben die Stehlampe an: „Ich brauch’s ein bisschen heller, wenn ich die Geschichte vorlese.“

Samuel zog zischend die Luft ein. Nein, nicht noch eine Verzögerung!

Die Geschichte ging lange, Oma verhaspelte sich wegen der schlechten Beleuchtung und Samuel?

Für Samuel war das alles zu viel.

Oma las gerade: „…so wurde es für die Kinder die schönste Bescherung, die sie je gehabt hatten.“

Da platzte Samuel mit einem lauten, vernehmlichen Knall.