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Peeni Waali: eine magische Begegnung

Dem innovativen Basler Produzenten Fizzè ist ein Brückenschlag ganz besonderer Art gelungen. Er hat es nicht nur verstanden, die Besten der jamaikanischen und englischen Reggaemusiker zusammenzubringen. Auch irische Vionen, Handorgeln und Kalebassen sorgen für eine Klangreise voller Überraschungen, verblüffenden Klangkombinationen und Witz.
Frühling 1988, in einem kleinen jamaikanischen Dorf. Durch den lauen Tropenabend wehen der Wind vom Meer und ferne Reggaeklänge.
Fizzè sitzt bei seinem Freund Bruce Harris auf der Veranda des kleinen Häuschens. Sie reden über die Arawak-Indianer, welche als erste die Insel bewohnten, über Gott und die Welt. Durch die Nacht surren kleine, phosphoreszierende Mücken (eigentlich sind’s grosse Käfer! A.d.R.). Ihr jamaikanischer Name: Peeni Waali.
Es ist Fizzè’s zweiter Besuch auf der Karibikinsel, auf der er im Studio des HIt-Produzenten Gussie Clarke in Kingston mit jamaikanischen Topmusikern einige Sessions aufgenommen hat. Wie kommt denn ein Basler auf die Idee, Reggaeklänge und tropische Leuchtkäfer zu sammeln?
Eine musikalische Reise…
Musik begleitet Fizzè schon seit seiner Jugend, ist seine Mutter doch Pianistin. Später studierte er das Querflötenspiel, trat mit Performance-Künstlern auf und tourte mit Avantgarde-Gruppen wie “Débile Menthol” im ehemaligen Ostblock.
Neben musischen Qualitäten hat das Multitalent aber auch eine geschäftliche Ader. Die Basis seines Handelsdiploms führte Fizzè zu einer Manager- und Werber-Karriere. Die beiden Gottesgaben verbindend, gründete er schliesslich 1986 sein Schallplattenlabel “Mensch”, auf dem zuerst Avantgarde-Schallplatten erschienen wie “Kulu Hatha Mamnua” und “Manoeuvres d’Automne”.
Mit der Schweizer “Heart Beat Band” produzierte er erstmals eine Reggaeplatte. Kommerziell waren diese Schallplatten, die in künstlerischen Covers von Alex Rabus steckten, zwar kein Erfolg. Das eigene “Mensch”-Studio (damals noch in Colombier, Neuenburg) brachte Fizzè jedoch mit äusserst interssanten Musikern zusammen.
…schafft Begegnungen…
Weltmusik bedeutet für mich, verschiedene Menschen zusammenzubringen, auch wenn sie scheinbar nichts Gemeinsames haben“, meint Fizzè. Läuft er dabei nicht Gefahr, eine Musik ohne Umrisse und Identität zu produzieren, eine Einheitssuppe, wie sie einem tagtäglich im Radio serviert wird?
Der kräftig gebaute Basler lacht und schüttelt den Kopf: “Begegnungen schaffen Brücken. Ich glaube an die Musik, in der es Platz hat für Hoffnung, Bewusstsein und Bewusstsein…”
Die Entstehung des Albums “The Dawn of Peeni Waali” spricht ganz für die unkonventionelle Arbeitsweise des Mäzen-Produzenten, der es nicht scheut, mal auch enien arbeitslosen Musiker für unbestimmte Zeit bei sich als Gast aufzunehmen. Ohne die übliche Session-Routine hatten die Musiker und Dichter im “Mensch”-Studio Gelegenheit, Freunde zu werden und neue Wege zu gehen. Einzelne Momente waren Geschenke des Zufalls, andere Ideen wurden minuziös entwickelt.
Die dabei entstandene Musik mutet im heutigen engen Spartendenken fast wie ein kleines Wunder an.
…ohne Vorurteile
Eine von Handorgel, Violine und Flöte gespielte irische Volksweise – unterlegt mit einem Reggae-Beat… “Wieso nicht” meint der Dub-Poet Linton Kwesi Johnson, “in Jamaika wurden irische Seemannslieder schon zu Sklavenzeiten von den damaligen Mento-Bands adaptiert”.
Von der Vision und dem Humor des Schweizer Produzenten angetan, steuerten neben Johnson auch andere Reggae-Grössen einen Beitrag zum völkerverbindenden Musikprojekt bei. Die Posaune von Rico Rodriguez ist an den typischen, weichen Schlenkern zu erkennen. Auch der exzentrische ehemalige Bob-Marley-Produzent Lee “Scratch” Perry stand in Fizzè’s Studio in Jenins, Graubünden.
In Jamaika konnte der Basler bekannte Musiker wie den Bassisten Robbie Shakespeare und den Saxophonisten Dean Frazer für sein Projekt gewinnen. Aber auch der Schweizer Rocksänger Rams und ein Muezzin aus Jeddah, Saudiarabien, sind mit von der kosmischen Partie wie auch weitere Gäste an Zither, Kalebasse, Melkkübel und Elektrogitarre.
Die einzelnen Aufnahmen liegen oft mehrere Jahre und viele Kilomenter auseinander. Mastermind und Tonmeister Fizzè hat den inneren Kompass auf der Reise jedoch nie verloren. So fällt ein Gospel ebensowenig aus dem Rahmen wie ein Stück von Duke Ellington.
Auch wenn Reggae-Rhythmen schwerfällig daherkommen; diese Mischung wirkt durchaus überzeugend und magisch.

Stasha Bader